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Anwendung von Frischzellen oder xenogenen Organextrakten



Sehr geehrter Herr Dr. ...

nach der Durchsicht Ihrer Unterlagen und der Kenntnisnahme der Gutachten des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI)1 und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)2, der Verordnung (EU) über In-vitro-Diagnostik3 und des Bulletins4 möchte ich Ihnen meine fachliche Einschätzung zu den genannten immunologischen Zusammenhängen mitteilen.

Bei der parenteral therapeutischen Anwendung von xenogenen Organextrakten oder Zellanteilen (im weiteren Zelltherapie genannt) kommt es in jedem Fall zur Immunrespons. Die Immunantwort ist jeweils individuell, das heißt, sie ist abhängig von dem jeweiligen physischen und psychischen Zustand bzw. der Situation des Immunsystems und damit auch abhängig von der Erkrankung des Patienten.
Da die Zelltherapie im Allgemeinen bei Patienten mit einer sekundären Immunschwäche (sekundären Immunmangel-Syndrom / IMS) auf humoraler und zellulärer Ebene verabreicht werden, ist es fragwürdig, ob die vielfach zitierten dann entstehenden Autoimmunerkrankungen (siehe Fußnoten 1, 2 und 4) nach Frischzell- oder xenogenen Organextraktherapie tatsächlich auftreten. Die Ursachen der Autoimmunerkrankungen sind gegenwärtig noch nicht eindeutig geklärt5. Autoantikörper sind hinsichtlich ihrer Spezifität, ihrer Induktion, ihrer Wirksamkeit und ihrer klinischen Bedeutung eine sehr heterogene Gruppe von Immunglobulinen6.
Die in den letzten Jahren gemachten Fortschritte hinsichtlich der Äthiopathogenese systemischer autoinflammatorischer Erkrankungen haben gezeigt, dass auch dem angeborenen Immunsystem eine größere Bedeutung in der Genese chronisch-entzündlicher Erkrankungen zukommt und bei vielen dieser Erkrankungen eine klare Trennung in "autoimmun" oder "autoinflammatorisch" häufig nicht möglich ist7.

Es kann auch definiert werden, dass Autoimmunerkrankungen und Tumoren sich in ihrer Äthiologie und Pathologie der unkontrollierten Zellproliferation, der Beeinflussung der Apoptose, der Zytokin-Dysregulation, der veränderten Hormonbalance usw. sehr ähneln.
Autoimmunerkrankungen und Malignität sind etwa in gleicher Häufigkeit in der Bevölkerung nachweisbar. Grundsätzlich kann sich ein Krebs auf der Basis einer Autoimmunerkrankung entwickeln und umgekehrt können Autoimmunkrankheiten als Folge einer malignen Erkrankung entstehen. In jedem Fall ist das Immunsystem des menschlichen Organismus bei den Erkrankungen mit einbezogen.
In der Therapie bestehen ebenfalls Ähnlichkeiten bei beiden Erkrankungskomplexen. Die Behandlungen richten sich gegen ähnliche Mechanismen, mit dem Ziel der Reduktion der Zellproliferationen. Aus diesem Grunde muss auch bei einer Autoimmunerkrankung immer davon ausgegangen werden, dass es sich grundsätzlich um eine Fehlreaktion des Abwehrsystems handelt und die Wahrscheinlichkeit der Entartung immer besteht.

Werden Patienten mit Immunmangel-Syndromen (IMS) mit Zellextrakten behandelt, wird vielfach eine sekundäres IMS aufgehoben, die Immunität wird wieder normalisiert, der Allgemeinzustand des Patienten verbessert sich um ein Erhebliches. Die zellvermittelte Immunität erhält ihre normale Funktionalität, Autoimmunerkrankungen werden reduziert. Ein IMS kann mit Hilfe eines Immunstatus (Blutbild, CRP, Immunglobuline der Klassen G, A, M, E, Lymphozytensubpopulationen, Differenzierung der TH1/TH2-Zellen) sehr schnell ermittelt werden. Die Ursachen eines IMS sollte anhand der klinischen Symptomatik erfasst werden. Sie können psychischer (Achse Immunsystem - Zentrales Nervensystem / Hormonsystem und umgekehrt) autoimmuner, infektiöser (z. B. oft latente Borreliose, Parasiten), allergischer Natur sein. Burnout-Syndrom, Fatigue-Syndrom, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten über Jahre entwickeln ebenfalls ein sekundäre IMS.
Die Gefahr, dass bei Frischzelltherapien oder parenteraler Anwendung xenogenen Materials Krankheiten übertragen werden können, besteht grundsätzlich so lange das zu injizierende Material nicht gesicherte Keim- und Virusfreiheit besitzt8. Ähnliche Anforderungen werden derzeit an tumortherapeutischen monoklonalen Antikörpern gestellt.
Es handelt sich bei diesen Antikörpern vielfach um Maus- Antikörper, deren Unverträglichkeit fast immer programmiert ist. Gegenwärtig werden auch die Ursachen des Autismus von Impfgegnern auf Nebenreaktionen der Immunität gegen Impfmaterial diskutiert.

Die technischen Voraussetzungen bei der Herstellung der Frischzellen müssen auf jeden Fall so ausgerichtet sein, dass kein infizierendes Material verwendet wird (verwendete Zelllinien, Haltung der Tiere).
Die Besonderheiten des foetalen xenogenen Organmaterials wie Verträglichkeit, Allergiearmut, Normalisierung von pathologischen Stoffwechselveränderungen muss erhalten bleiben.

Eine generelle Forderung besteht darin, dass das zu injizierende Material nach der Herstellung auf Virus- und Keimfreiheit z. B. Q-Fieber, Cryptosporidium parvum oder Prionen geprüft wird. Die technischen Möglichkeiten sind derzeit Gegeben9.

Ein weiterer Schwerpunkt bei der Anwendung von Frischzellen oder xenogenen Organextrakten sind allergische Reaktionen. Der Ausschluss dieser Reaktionen ist bei einer gezielten anamnestischen Befragung und der Erfassung der TH1/TH2-Zellen möglich.
Sofern eine verstärkte Erhöhung der TH2-Zellen vorliegt und eine Atopie oder Allergie nicht ausgeschlossen werden kann, sind prophylaktische Maßnahmen und eine gute Beobachtung des Patienten bei der Anwendung von Zellmateral erforderlich. Eine sehr einfache Methode allergische Reaktionen weitgehend auszuschließen ist ein Pricktest oder eine intracutane Injektion des zu testenden Materials.

Im Beobachtungszeitraum können erhöhte Temperaturen oder eventuell Fieber auftreten. Nach einer Injektion von Fremdproteinen, Hormonen usw. pflanzlichem (z. B. Mistelpräparate) oder tierischem Ursprungs werden Entzündungen (örtlich oder systemisch) verursacht. An den Injektionsort werden Leukozyten und Lymphozyten gelockt, die über Zellhormone und spezifische Reaktionen weitere Lymphozyten anlocken.
Es entsteht eine Kaskade von immunologischen Reaktionen die Entzündungen entstehen lassen.
Durch die Diapedese werden Fragmente des Komplementsystems angelockt und eine Chemotaxis eingeleitet; denn durch Reaktionen dendritischer Zellen wird das adaptive Immunsystem unter Einbeziehung des MHC-Komplexes (major histocompatibility complex) angeregt. Weiterhin werden durch naive Lymphozyten T-Lymphozyten zu T-Helfer-Zellen angeregt, die wiederum B-Lymphozyten zur Antikörperproduktion differenzieren. Zytokine aktivieren wiederum andere Immunzellen.
Diese Reaktionen können kurzfristig, nur einige Stunden oder auch über einige Tage andauern. Der Schweregrad der Reaktionen dürfte a) vom Gesundheitszustand, b) von der psychischen Belastung und c) von der Virulenz eines Erregers abhängig sein.

Nach einer persönlichen Mitteilung von Herrn Dr. Aschhoff wurden in der Zeit vom 22.06.2015 bis zum 07.06.2017 bei 942 Patienten eine Frischzellbehandlung vorgenommen. Bei allen Patienten werden grundsätzlich Temperaturmessung bei der Aufnahme, vor der Behandlung, 3 bis 4 Stunden nach der Behandlung und 12 und 24 Stunden nach der Behandlung (insgesamt jeweils 5 Messungen pro Patienten) vorgenommen und dokumentiert.
Die durchschnittliche Temperaturerhöhung nach Frischzelltherapie lag bei 0,9578°C, wobei keine größeren Schwankungen festgestellt werden konnten: Die niedrigste Abweichung lag bei 0,0°C die höchste bei 2,2°C. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass bei einer Therapie mit Frischzellen keine relevante Immunrespons bei den Patienten erkennbar wurde, d.h. dass Frischzellmaterial rief keine Entzündungsreaktionen hervor. Das Frischzellmaterial wurde vom jeweiligen Immunsystem toleriert. Sofern Krankheitserreger oder allergische Reaktionen aufgetreten wären, hätte die Kaskade der Immunreaktionen alle Formen der Entzündungen, wie Rubor, Calor, Tumor und Dolor (Rötung, Hitze, Schwellung, Schmerz), gezeigt.

Die Immunität ändert bzw. vermindert sich im Alter. Die Ergebnisse dieser physiologischen Reaktionen sind allgemein erkennbar an der Zunahme der schwereren Erkrankungen im Alter in der menschlichen Population.
Die Gruppe der über 80jährigen betrug 51 Patienten = 5,41%.
Die Gruppe der Kinder bis zu 10 Jahren betrug 16 Patienten = 1,7%.
875 Patienten befanden sich zwischen 11 und 79 Jahren = 92,9%.

Schlussfolgerung

Nach meiner fachlichen Einschätzung ist bei dem heutigen Stand der Technik und der Wissenschaft auch die Anwendung des relativ alten Verfahrens der Frischzell-Therapie und der Therapie mit xenogenem Material unter den genannten Bedingungen insbesondere aus immunologischer Sicht medizinisch vertretbar.
Die Frischzelltherapie könnte auch in der Prophylaxe der reduzierten Immunität im Alter (ab etwa 65 Jahre) eine außerordentliche gesundheitliche Bedeutung haben. Unter diesen Gesichtspunkten kann eine Frischzelltherapie die Rolle einer Impfung hinsichtlich ihrer Immunrespons übernehmen.



1Gutachten des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bedenklichkeit von Frischzellen und Frischzellpräparaten (lebende Zellen) bei parenteraler Anwendung am Menschen im Sinne des § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) vom 14.09.2015
2 Gutachten zu xenogenen Organextrakten bei parenteraler Anwendung am Menschen Auftrag des BMG (Erlass 115-41021-03 vom 24.06. 2015) BfArM 14.07.2016
3Verordnung (EU) 2017/746 Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.April 2017 über In-vitro-Diagnostik und zur Aufhebung der Richtlinien 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission. Amtsblatt der Europäischen Union v. 5.5.2017
4Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Informationen aus BfArM und PEI Dezember 2014
5K, Conrad, D. Roggenbuck, W. Lehmann, U. Schedler, G. Peine: Multiparameteranalytik in Forschung und Praxis. GFID, 2011
6K. Conrad, W. Schößler, F. Hiepe: Autoantikörper bei systemischen Autoimmunerkrankungen / Ein diagnostischer Leitfaden 4. Auflage, GFID, 2012
7M. Borte, K. Conrad, V. Schuster, U. Sack: Pathogenese, Diagnostik und Therapie immunologischer Erkrankungen im Kindesalter, Auflage, GFID, 2007
8A. Stühler, J. Blümel: Virussicherheit von biologischen Arzneimitteln. Bundesgesundheitsblatt 2014, 57: 1198-1202
9siehe Fußnote 3